Die Eigenverwaltung hat sich als möglicher Baustein im Rahmen eines Sanierungsprozesses in der Insolvenz mittlerweile etabliert. Selbst wenn das Institut der Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff InsO trotz der zunächst erfolgten Erleichterungen durch das ESUG (2012) und der durch das SanInsFoG (2021) erneut hochgesetzten Einstiegshürden regulatorisch einige Höhen und Tiefen durchlief, hat sich doch eine etablierte Praxis der Handhabung entwickelt.
Im Laufe der Zeit hat die Rechtsprechung allerdings auch die Haftung des Geschäftsleiters des eigenverwalteten Unternehmens bei der Begründung von Verbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (sog. Masseverbindlichkeiten, vgl. § 55 InsO). Im Rahmen der kurzen Darstellung eines aktuellen Urteils des OLG Düsseldorf wird die Entwicklung der Rechtsprechung nachgezeichnet.
Historische Entwicklung
Noch in einer Entscheidung aus dem Jahre 2017 hatte sich das OLG Düsseldorf gegen eine Haftung des Sanierungsgeschäftsführers gewandt. Nach Ansicht des OLG hatte der Beklagte in seiner Funktion als Sanierungsgeschäftsführer weder ein besonderes persönliches Vertrauen gemäß § 311 Abs. 3 BGB in Anspruch genommen noch hafte er gemäß der Regelungen der §§ 60, 61 InsO analog auf Schadenersatz.
Für eine Analogie fehle es schon an einer unbeabsichtigten Gesetzeslücke. Der BGH hob diese Entscheidung allerdings ohne viel Federlesens mit seinem Urteil aus dem Jahre 2018 auf und entschied, dass die Haftungsregeln für Insolvenzverwalter – § 61 und ergänzend § 60 InsO – analog auf Geschäftsführer einer juristischen Person in Eigenverwaltung anzuwenden sind.
Nach der Eröffnung des Eigenverwaltungsverfahrens übernehmen die Geschäftsführer nicht nur gesellschaftsrechtliche, sondern auch insolvenzrechtliche Aufgaben – vergleichbar mit einem Insolvenzverwalter. Sie verwalten das Vermögen eigenverantwortlich und treffen wesentliche Entscheidungen zu Masseverbindlichkeiten. Zwar verweise § 270 InsO auf die §§ 60, 61 InsO, erfasse Organe der Gesellschaft aber nicht ausdrücklich. Nach Ansicht des BGH besteht hier eine planwidrige Gesetzeslücke, die eine analoge Anwendung der Haftungsregelungen rechtfertige.und entsprechend handelt, kann die Eigenverwaltung rechtssicher und verantwortungsvoll gestalten.
Aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf
In seiner aktuellen Entscheidung aus dem November 2024 folgt das OLG Düsseldorf der oben skizzierten Linie des BGH und konstatiert eine grundsätzliche Haftung des Sanierungsgeschäftsleiters aus den §§ 60, 61 InsO. Demnach ist er verpflichtet, bei Begründung der Verbindlichkeit zu prüfen, ob die Masse zu ihrer Erfüllung voraussichtlich ausreichen wird. Haftungsgrund ist damit nicht die Nichterfüllung des Vertrages an sich, sondern die fehlende Vergewisserung über die Erfüllungsfähigkeit der Masse, bevor der Geschäftsleiter die Verbindlichkeit eingeht.
Da an ihn keine geringeren Anforderungen zu stellen sind als an einen Insolvenzverwalter, hat er zu beweisen, dass die Masse objektiv voraussichtlich zur Erfüllung der Verbindlichkeit ausreichte oder er die Unzulänglichkeit nicht erkennen konnte (Rz. 41). Dagegen sind Sekundäransprüche wegen Vertragsverletzungen nicht von § 61 InsO erfasst, denn die Norm schützt nur bestimmte Massegläubiger, nämlich im Wesentlichen denjenigen, dessen Masseverbindlichkeit durch Vertragsschluss herbeigeführt wurde (Rz. 37).
Fazit & Empfehlung
Die Entwicklung der Rechtsprechung seit 2017 dürfte nun soweit fortgeschritten sein, dass die grundsätzliche Annahme einer Haftung des Sanierungsgeschäftsführers analog der §§ 60, 61 InsO als etabliert gelten dürfte. Folglich tun (angehende) Sanierungsgeschäftsführer / CRO’s gut daran, sich schon bei Vorbereitung der Eigenverwaltung intensiv mit der vorgeschriebenen Finanzplanung für die ersten sechs Monate des Verfahrens gemäß §270a Abs. 1 Nr. 1 InsO auseinanderzusetzen. Nur so werden sie die im folgenden diskutierten Haftungsrisiken minimieren können.
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