Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftssteuer hat in jüngster Zeit erhebliche Aufmerksamkeit erregt. Insbesondere ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie die darauffolgende Rechtsentwicklung werfen wichtige Fragen auf, die eine tiefgründige Analyse und umfassende Aufklärung erfordern.
Wie könnten sich die Erbschaftssteuerregelungen in Deutschland ändern? Unsere gunnercooke-Expertin für Deutsches Steuerrecht, Antje Krause, beleuchtet den Fall Schritt für Schritt.
Der Ausgangsfall – FG Münster Urteil v. 6.5.2021 – 3 K 3532/19 Erb
In dem besagten Fall setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer für einen Kläger fest, der von seiner Tante geerbt hatte. Der Nachlass bestand aus einem Wertpapierdepot bei der Sparkasse im Wert von 66.000 € und einem Miteigentumsanteil an einer Immobilie im Wert von 170.000 €, insgesamt also 236.000 €. Nach Abzug des Freibetrags von 20.000 € blieb ein Restbetrag, auf den 30 % Erbschaftssteuer erhoben wurden.
Das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) – Beschluss v. 17.1.2022 – II B 49/21
Nun beantragte der Kläger die Zulassung der Revision vor dem BFH. Er argumentierte, dass die Entscheidung des Finanzgerichts Münster (FG Münster) verfassungswidrig sei, weil er als Privatperson besteuert wird, da er ein Depot und einen Immobilienanteil geerbt hatte.
Wenn er stattdessen eine Firma geerbt hätte, wäre keine Erbschaftssteuer angefallen, vorausgesetzt, er hätte diese sieben Jahre lang fortgeführt und Arbeitsplätze erhalten. Damit sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Der BFH entschied, dass die aufgeworfene Frage bereits in der Rechtsprechung geklärt sei und es somit keiner Revision bedürfe.
Die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – 1 BvR 804/22
Daraufhin reichte der Kläger eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein und legte seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelungen des Erbschaftsteuergesetzes ab 2016 (ErbStG 2016) dar, worauf die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) vom Gericht um eine Stellungnahme gebeten wurde. Diese Stellungnahme setzt sich kritisch mit der BFH-Entscheidung auseinander und argumentiert, dass die Verfassungswidrigkeit wahrscheinlich sei.
Die Stellungnahme der BRAK
Die Stellungnahme der BRAK hebt hervor, dass die Entscheidung des BFH das Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzten. Die BRAK stellt die Auffassung des BFH infrage, wonach die Rechtsfrage bereits geklärt sei. Sie argumentiert, dass die Rechtsfrage zum einen in der Rechtsprechung des BFH nach 2016 nicht abschließend behandelt wurde. Zum anderen betont die BRAK, dass die bestehende Regelung „einen enormen Anreiz für steuerliche Gestaltungsmodelle“ darstellt, die die Überführung von Privatvermögen in das Betriebsvermögen zum Gegenstand haben und damit der Steuervermeidung dienen. Dieser hohe Anreiz führe zu einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, wenn der steuerlich nicht beratene Steuerbürger diese Gestaltungen zur Vermeidung der Erbschaftssteuer nicht umsetzen kann.
Schlussfolgerung
Sollte das BVerfG die Zurückweisung der Revision als verfassungswidrig erachten, müsste der BFH die Revision zulassen und im Rahmen dieses Verfahrens über die Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuergesetzes 2016 entscheiden. Falls verfassungswidrig, müsste unser Kläger keine Erbschaftssteuer zahlen.
Dies könnte weitreichende Konsequenzen für all diejenigen haben, die seit 2018 Erbschaftssteuerbescheide beantragt haben (Streitjahr des vorliegenden Falles). Nur offengehaltene Bescheide könnten bei einer Verfassungswidrigkeit des Gesetzes geändert werden.
Was rät also unsere Steuerrechtsexpertin Antje Krause?
Angesichts der unklaren Situation gibt Antje den Hinweis, unbedingt Einspruch gegen Erbschaftssteuerbescheide unter Berufung auf dieses Verfahren einzulegen.
Es bleibt abzuwarten, wie das BVerfG letztendlich entscheiden wird und welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die Erbschaftssteuerregelungen haben wird. Eine endgültige Klärung könnte allerdings noch einige Jahre in Anspruch nehmen.
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