Energy Sharing gilt als wesentlicher Bestandteil der Energiewende und als Schlüssel für eine nachhaltige Energiezukunft. Die gemeinschaftliche Nutzung erneuerbarer Energien eröffnet nicht nur mehr Teilhabe am Energiemarkt, sondern unterstützt zugleich eine dezentrale und gerechte Energieversorgung.
Die europäische Strombinnenmarktrichtlinie hat mit Artikel 15a klare Vorgaben gesetzt: Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen sowie öffentliche Einrichtungen sollen diskriminierungsfrei an der Nutzung erneuerbarer Energien teilhaben können. Diese Regelung schafft die Grundlage für Transparenz, Rechtssicherheit und eine breite Bürgerbeteiligung an der Energiewende. Dennoch sind die bisherigen Fortschritte unzureichend. Die ursprüngliche Frist zur Umsetzung bis Mitte 2021 wurde nicht eingehalten.
Die Ampelkoalition hat am 21.11.2024 einen Regierungsentwurf zur Neufassung des EnWG vorgelegt, der in § 42c EnWG-E Regelungen zum Energy Sharing enthält, die nachfolgend kurz erläutert werden sollen.
Wer darf künftig teilen?
Mit § 42c EnWG wird Energy Sharing erstmals gesetzlich definiert. Erlaubt ist demnach die gemeinsame Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen durch Bürgerinnen und Bürger, Kommunen, kleine und mittlere Unternehmen sowie Genossenschaften. Große Stromkonzerne oder spezialisierte Energieversorger bleiben außen vor.
Begründung: Damit will der Gesetzgeber ausdrücklich verhindern, dass finanzstarke Player das Modell dominieren. Stattdessen soll die Bürgerenergie mehr Gewicht bekommen – ganz im Sinne einer dezentralen, demokratischen Energiewende.
Wo gilt das Energy Sharing?
Auch der geografische Rahmen ist präzise gezogen. Zunächst dürfen die Teilnehmer nur innerhalb eines Bilanzierungsgebiets ihres örtlichen Verteilnetzbetreibers gemeinsam Strom teilen. Ab 2028 kann dieses Gebiet auf angrenzende Netzzonen ausgeweitet werden.
Begründung: Die räumliche Begrenzung soll die Netzstabilität sichern. Die Netzbetreiber könnten sonst überfordert sein, wenn plötzlich quer durch die Republik Stromanteile getauscht würden.
Zwei Verträge, klare Regeln
Energy Sharing wird nicht automatisch zum Komplettversorger. Wer teilnimmt, braucht weiterhin einen normalen Stromliefervertrag für die Reststrommenge, die nicht durch die Gemeinschaft gedeckt wird. Zusätzlich schließen die Mitglieder einen Teilnahmevertrag untereinander, in dem geregelt ist, wie der gemeinsam erzeugte Strom verteilt und abgerechnet wird. Drittanbieter dürfen diesen Prozess begleiten, solange sie diskriminierungsfrei arbeiten.
Begründung: Diese doppelte Vertragsstruktur soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass Verbraucher unfreiwillig ihren bisherigen Lieferanten verlieren.
Präzise messen statt Pi mal Daumen
Damit kein Streit über den tatsächlichen Verbrauch entsteht, schreibt der Entwurf eine viertelstündliche Messung an allen Abnahmestellen vor. Erzeuger und Verbraucher müssen also mit Smart Metern ausgestattet werden. Eine Pflicht zur Vollversorgung durch die Energy-Sharing-Anlage gibt es hingegen nicht.
Begründung: So bleibt den Verbrauchern die Freiheit, jederzeit einen anderen Reststromlieferanten zu wählen. Gleichzeitig können Netzbetreiber den Stromfluss zuverlässig bilanzieren.
Umlagen, Steuern und Sonderregeln
Die Strommengen aus Energy-Sharing-Modellen unterliegen weiterhin den üblichen Netzentgelten, Umlagen und Steuern. Diese werden über den bestehenden Reststromvertrag abgerechnet. Für Kleinanlagen bis 30 kW sowie für Wohngebäude mit mehreren Parteien bis 100 kW gibt es Sonderregeln, die eine vereinfachte Abwicklung ermöglichen.
Ab wann soll das gelten?
Der Gesetzentwurf sieht den Startschuss zum 1. Juni 2026 vor. Ab 2028 dürfen die Projekte dann auch grenzüberschreitend in benachbarte Bilanzgebiete erweitert werden. Begleitverordnungen sollen noch präzisieren, wie die Umsetzung konkret laufen wird.
Begründung: Eine schrittweise Einführung soll technische Überlastungen vermeiden und allen Beteiligten Zeit geben, sich auf die neuen Prozesse einzustellen.
ABER: Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung (CDU/CSU + SPD, 21. Wahlperiode, Mai 2025) wird das Thema „Energy-Sharing“ nicht explizit erwähnt. Die Energie- und Klimapolitik fokussiert sich auf Großthemen wie:
- Reduktion der Stromsteuer auf das europäische Mindestniveau
- Förderung von Wasserstoff‑Infrastruktur und Stabilisierung der Strompreise durch Entlastungen, Netzentgeltdeckel und Speicherförderung
- Ausbau regenerativer Energien, Modernisierung der Netze, Beschleunigung der Genehmigungen, Speicherförderung
Während die Ampel-Koalition (2021–2025) noch klar programmatisch Rahmenbedingungen für Energy-Sharing und Bürgerenergiegesellschaften festlegte taucht dieser Begriff im aktuellen schwarz-roten Vertrag schlicht nicht auf.
Es bleibt also abzuwarten, ob § 42c EnWG tatsächlich zum 01.Juni 2026 in der vorliegenden oder einer geänderten Fassung in Kraft treten wird oder ob die Bundesregierung das Thema wieder von der Tagesordnung nimmt, obwohl Energy-Sharing als wichtiger Fortschritt für die Bürgerenergie gilt, der Spielräume für Genossenschaften, Quartiersprojekte und Kommunen eröffnet, ihre Energieversorgung selbst in die Hand zu nehmen.
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