BGH stärkt Transparenzpflicht bei Energiepreisen 

November 7, 2025
Dirk Voges

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Wer Strompreise erhöht, muss den Grund klar benennen – sonst ist die Änderung unwirksam 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 21. Oktober 2025 (Az. EnZR 97/23) die Rechte von Verbraucher:innen gegenüber Energieversorgern deutlich gestärkt. Preisänderungen in Strom- und Gasverträgen sind demnach nur wirksam, wenn der Anbieter den konkreten Anlass der Preisanpassung offenlegt. Allgemeine Formeln wie „gestiegene Großhandelspreise“ reichen nicht aus. 

Das Urteil präzisiert die Informationspflichten nach § 41 Abs. 5 EnWG und gilt als Leitentscheidung für die gesamte Branche. 

Hintergrund: Verbraucherschützer gegen Energieversorger 

Ausgangspunkt war eine Klage eines Verbraucherschutzverbands gegen ein Energieunternehmen, das 2021 per E-Mail und Brief Preis- und Abschlagserhöhungen angekündigt hatte – ohne diese nachvollziehbar zu begründen. Die Bundesnetzagentur hatte das Unternehmen bereits zuvor gerügt und per Beschluss vom 7. Februar 2022 verpflichtet, unzulässige Abschläge zu unterlassen. 

Das Unternehmen berief sich darauf, die Erhöhungen seien wegen „außergewöhnlich gestiegener Beschaffungskosten“ nötig. Für die Verbraucher blieb jedoch unklar, welche Kostenpositionen konkret betroffen waren und auf welcher vertraglichen Grundlage die Erhöhung erfolgte. 

Der BGH: Transparenz ist kein Formalismus 

Der Kartellsenat stellte klar: Der „Anlass“ einer Preisänderung im Sinne des § 41 Abs. 5 Satz 3 EnWG sei der konkrete Grund, aus dem der Energieversorger einseitig den Preis anpasst. Die Information müsse so gestaltet sein, dass Verbraucher:innen eine informierte Entscheidung treffen können – etwa, ob sie von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen oder gegen die Preisänderung vorgehen. 

Der BGH knüpft damit an seine Entscheidung „Rückerstattungsanordnung“ (EnVR 75/23) aus dem Jahr 2024 an. Preisänderungen ohne verständliche Begründung sind unwirksam, selbst wenn die Erhöhung wirtschaftlich gerechtfertigt wäre. 

Weitere Leitsätze: Von aggressiven Praktiken bis zur Bundesnetzagentur 

Neben der Transparenzpflicht enthält das Urteil weitere wichtige Klarstellungen: 

  • Aggressive Geschäftspraktiken (§ 4a UWG): Wenn Versorger Kunden „Sonderkündigungen“ bestätigen oder Netzabmeldungen androhen, kann das als unangemessener Druck gelten – und ist zu unterlassen. 
  • Rolle der Bundesnetzagentur: Eine bestandskräftige Untersagungsverfügung der Regulierungsbehörde kann die „Begehungsgefahr“ entfallen lassen, wenn sich das Unternehmen auf sie beruft. Damit erhält die Behörde faktisch quasi-gerichtliche Wirkung. 

Ein Urteil mit Signalwirkung 

Für Energieversorger bedeutet das Urteil: Preisänderungen müssen künftig sachlich begründet und individuell nachvollziehbar kommuniziert werden. „Operative Gründe“ oder pauschale Verweise auf Märkte genügen nicht mehr. 

Verbraucher:innen wiederum erhalten ein stärkeres Instrument, unklare oder unangekündigte Preisanpassungen anzufechten oder zurückzufordern. 

Ausblick: Mehr Compliance, weniger Vertrauen auf Automatismen 

Der BGH zieht damit eine klare Linie: Informationspflichten sind nicht bloße Formalien, sondern Kernelemente des Verbraucherschutzes. Für die Praxis heißt das: Energieversorger sollten ihre Kommunikations- und Vertragsprozesse prüfen, um Transparenz, Rechtsklarheit und Nachvollziehbarkeit sicherzustellen. 

Im größeren Kontext ist die Entscheidung auch ein Signal für andere regulierte Märkte – etwa Telekommunikation oder Versicherungen –, in denen einseitige Vertragsänderungen zunehmend unter dem Blickwinkel der Transparenz und Fairness bewertet werden. 

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