BGH weitet das Haftungsrisiko von Geschäftsführern in der Krise erheblich aus
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Haftung von Geschäftsleitern in der Krise in einem aktuellen Urteil maßgeblich ausgeweitet.
So urteilte der BGH, dass auch ausgeschiedene Geschäftsführer für Schäden von Neugläubigern haften können, die nach ihrem Ausscheiden in vertragliche Beziehungen mit der Gesellschaft treten. Dieser erweiterte Haftungsumfang gelte, wenn eine durch die Verletzung der Insolvenzantragspflicht geschaffene Gefahrenlage zum Zeitpunkt der Schadensentstehung noch fortbesteht.
Hintergrund
Im konkreten Fall ging es um einen Geschäftsführer der P&R-Gruppe, die ein Schneeballsystem betrieb. Dieser schloss mehrere Anlageverträge, bevor er abberufen wurde. Eine Anlegerin verklagte nach dem Verlust ihres Investments die Alleinerbin des Geschäftsführers u.a. wegen Insolvenzverschleppung.
Entscheidungsgründe
- Haftung für Insolvenzverschleppung: Der BGH stellte fest, dass der Geschäftsführer trotz seiner Abberufung weiterhin für eine etwaige Insolvenzverschleppung haftet, weil er seine Pflicht zur Insolvenzanmeldung nicht erfüllt hat. Dies gilt auch für Schäden, die Neugläubigern nach seinem Ausscheiden entstanden sind.
- Fortwirkung der Haftung: Die Haftung bleibt bestehen, auch wenn der Geschäftsführer nicht mehr im Amt ist. Der BGH argumentierte, dass die unterlassene Antragstellung weiterhin eine ursächliche Verbindung zu späteren Vertragsschlüssen mit Dritten habe.
- Prozessrechtliche Besonderheiten: Die Entscheidung beleuchtet die Herausforderungen, die im Rahmen von Prozessen mit Insolvenzbezug auftreten können, insbesondere in Bezug auf die Unterbrechung laufender Zivilprozesse nach einer Insolvenzeröffnung.
Kritische Würdigung
Die Frage der Nachhaftung des ausgeschiedenen Geschäftsführers war in der Literatur bislang nur insoweit geklärt, als dass eine Haftungsvermeidung durch Niederlegung nach Eintritt der Insolvenzreife nicht möglich sein sollte. Das vorliegend diskutierte Urteil geht weit über diesen Ansatz hinaus, da es die Haftung des Geschäftsführers die Haftung auf im Falle seiner – möglicherweise gegen seinen Willen erfolgenden – Abberufung begründet und zudem auf Neugläubiger ausdehnt, die erst nach seinem Ausscheiden hinzutreten. Denn dem Geschäftsführer steht kein Abwehrrecht gegen seine Abberufung zu.
Dementsprechend sind Fälle nicht fernliegend, in denen die Gesellschafter den Geschäftsführer – in Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung – abberufen, sobald er ihnen mitteilt, dass er einen Insolvenzantrag stellen muss.
Fazit
Die Entscheidung erhöht das Haftungsrisiko für Geschäftsführer in der Krise erheblich und könnte weitreichende praktische Konsequenzen gerade bei kritischen Situationen in der Unternehmenssanierung haben. Zukünftige Verfahren werden klären müssen, ob abberufene Geschäftsführer Regressansprüche gegen die Gesellschafter geltend machen können, die sie abberufen haben.
Erfahren Sie mehr darüber in der Kommentierung im Berliner Anwaltsblatt.
BGH, Urteil vom 23.7.2024 – II ZR 206/22
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