Ein Urteil des LG Hamburg zur Haftung bei Windanlagen-Ausfällen stärkt die Vertragsfreiheit – und weist den Weg für klare Regeln im Energierecht.
Wenn Windräder stillstehen, dreht sich oft nicht nur das Rotorblatt, sondern auch das juristische Karussell. So auch in einem Fall vor dem Landgericht Hamburg, bei dem eine Betreiberin zweier Windenergieanlagen Schadensersatz in sechsstelliger Höhe verlangte – und scheiterte.
Das Urteil vom 21. Februar 2025 (Az. 415 HKO 28/24) gibt der Branche klare Hinweise darauf, wie weit pauschale Haftungsregelungen in Serviceverträgen gehen dürfen. Und es betont: Wer sich auf technische Verfügbarkeiten verlässt, muss genau hinschauen, was vertraglich garantiert – und was ausgeschlossen – wurde.
Kurzzeitiger Stillstand, langfristige Folgen?
Was war passiert? Die Klägerin betreibt zwei Windenergieanlagen in Rheinland-Pfalz. Wegen Naturschutzauflagen müssen diese bei bestimmten Wetterbedingungen zum Schutz von Fledermäusen automatisch abgeschaltet werden. Die Steuerung dafür lieferte der Hersteller – und spätere Wartungspartner – der Anlagen. Doch dieses System spielte nicht mit: Es schaltete die Rotoren auch dann ab, wenn keine Fledermaus in Sicht war. Die Betreiberin rüstete auf ein externes System um. Doch Monate später – aus bislang ungeklärten Gründen – aktivierte sich das alte System wieder. Die Folge: acht Tage Stillstand in der windreichen Oktoberwoche 2023. Für den entgangenen Strom wollte die Klägerin knapp 127.000 Euro ersetzt bekommen.
Der Vertrag ist eindeutig – und hält vor Gericht stand
Kern des Rechtsstreits war der Wartungsvertrag. Dieser enthielt eine technische Verfügbarkeitsgarantie von 97 Prozent – gekoppelt an eine pauschale Ausgleichszahlung bei Unterschreitung. Gleichzeitig war die Haftung für sonstige Schäden, etwa entgangene Einspeisevergütung, grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, die Beklagte hätte grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt oder eine sogenannte Kardinalpflicht verletzt.
Das Gericht prüfte diese Klauseln ausführlich – und kam zu dem Schluss: Die Regelung ist zulässig und wirksam. Sie verstoße nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben zur AGB-Kontrolle (§ 307 BGB) und stelle auch für unternehmerische Vertragspartner keine unangemessene Benachteiligung dar. Insbesondere sei die Kombination aus Verfügbarkeitsgarantie und pauschaler Kompensation ein „einfaches und für beide Seiten kalkulierbares Abwicklungssystem“, so das Gericht.
Grobe Fahrlässigkeit? Fehlanzeige
Hoffnungen der Klägerin, die Beklagte habe den Systemfehler grob fahrlässig verursacht, zerschlugen sich. Zwar sei das alte System offenbar bei einem Software-Update wieder aktiviert worden. Doch weder das Wie noch das Warum konnten geklärt werden. Ein Anscheinsbeweis für grobe Fahrlässigkeit – etwa durch die unterlassene Entfernung der Software – sei nicht erkennbar. Auch der spätere Ausbau des Servers, so das Gericht, könne nicht als „Beweisvereitelung“ gewertet werden.
Was ist eine wesentliche Vertragspflicht?
Ein weiterer Knackpunkt war die Frage, ob die Beklagte durch die fehlerhafte Steuerung eine sogenannte Kardinalpflicht verletzt habe – also eine Pflicht, deren Einhaltung für die Vertragserfüllung essenziell ist. Auch hier urteilte das Gericht: Nein. Die zentrale Pflicht sei die regelmäßige Wartung und Instandhaltung. Ein kurzzeitiger Softwarefehler, der sich schnell beheben ließ, gefährde den langfristigen wirtschaftlichen Betrieb nicht in einem Maße, das die Annahme einer solchen Pflicht rechtfertige.
Ein Signal für die Windbranche
Das Urteil ist ein Lehrstück für beide Seiten der Windbranche. Es zeigt: Wer sich in Serviceverträgen pauschale Verfügbarkeiten garantieren lässt, muss auch die Haftungsbegrenzungen akzeptieren, die diese Struktur mit sich bringt. Für Hersteller und Serviceunternehmen bietet das Urteil Rechtssicherheit – vorausgesetzt, ihre Verträge sind transparent, sachlich ausgewogen und lassen Raum für verschuldensabhängige Ausnahmen.
Gleichzeitig ist das Urteil ein Appell an Betreiber: Wer den vollen Ersatz von Ertragsausfällen sichern will, muss dies klar und individualvertraglich regeln – außerhalb der technischen Verfügbarkeitsgarantien.
Fazit: Rechtssicherheit durch Klarheit im Vertrag
Die 15. Kammer für Handelssachen des LG Hamburg hat mit ihrer Entscheidung ein wichtiges Signal gesendet: Technische Verfügbarkeiten und wirtschaftliche Risiken gehören sauber voneinander getrennt – auch juristisch. Klar formulierte Verträge schützen beide Seiten – und sorgen dafür, dass sich der Wind nicht in endlosen Rechtsstreits, sondern in produktiver Energie verwandelt.
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