Solarbranche unter Druck: Herkunftsnachweise rücken in den Fokus 

September 4, 2025
Peter Faisst

Partner

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Warum es jetzt ernst wird mit der Rückverfolgbarkeit von Materialien – und was Installateure und Projektierer bald erwartet. 

Rückschritte bei der Nachhaltigkeit? 

Nachhaltigkeit, Lieferketten, Sorgfaltspflichten – Begriffe, die in den letzten Jahren in aller Munde waren, scheinen politisch an Strahlkraft zu verlieren. Die EU will mit der sogenannten Omnibus-Verordnung ihre Nachhaltigkeitsvorschriften vereinfachen. Das betrifft auch die viel diskutierte Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD). 

Der aktuelle Entwurf sieht vor, die Pflichten zur Kontrolle der Lieferkette künftig auf direkte Zulieferer (Tier 1) zu beschränken. Auch Berichts- und Überprüfungspflichten sollen nur noch alle fünf Jahre greifen. Der politische Zweck ist klar: Bürokratieabbau zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen. 

Ein weiteres Signal: Am 21. August 2025 einigten sich die EU und die USA auf ein Zollabkommen – begleitet von der Ankündigung, die Umsetzung zentraler Nachhaltigkeitsvorgaben wie der CSDDD, der Berichtspflicht-Richtlinie (CSRD) und der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) zu entschärfen. 

Doch wer nun glaubt, die Rückverfolgbarkeit der Herkunft von Materialien sei damit vom Tisch, täuscht sich. 

Neue Regeln gegen Zwangsarbeit: Die Herkunftspflicht bleibt 

Im Schatten der Debatte um Bürokratieabbau kündigt sich eine andere, womöglich folgenreichere Entwicklung an: Die EU bereitet eine Verordnung gegen Zwangsarbeit (Forced Labor Regulation – FLR) vor, die voraussichtlich ab 2027 in Kraft tritt. Sie knüpft an US-amerikanische Vorgaben wie den Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) an, der bereits seit Jahren zur Beschlagnahmung von Solarmodulen, Solarzellen und sogar Polysilizium in US-Häfen geführt hat – bei unklarer Herkunft. 

Es ist kaum vorstellbar, dass die USA vergleichbare EU-Maßnahmen kritisieren werden. Denn sie gelten als geopolitisches Druckmittel – und nicht zuletzt als moralisches Statement. Klar ist: Selbst, wenn Berichts- und Sorgfaltspflichten verwässert werden, wird die Pflicht zur belegbaren Herkunft der Materialien bleiben. 

Papier reicht nicht mehr: Die Grenzen der bisherigen Systeme 

Bislang erfolgt die Rückverfolgung in der Solarindustrie vor allem über Lieferantenerklärungen, Zertifikate und digitale Plattformen. Blockchain-basierte Systeme, KI-gestützte Analysen oder Dokumentenketten sind weit verbreitet. Doch sie alle haben ein Grundproblem: Sie prüfen die Unterlagen – nicht das Material selbst. 

Solange die zugrunde liegenden Daten manipulierbar bleiben, ist auch die beste Blockchain anfällig. Wenn ein Lieferant gefälschte Angaben macht oder Materialien austauscht, bleibt die digitale Fassade makellos. Audits und Inspektionen helfen – sind aber teuer, selektiv und logistisch limitiert. 

Die Folge: Immer wieder werden Solarlieferungen in den USA unter Berufung auf den UFLPA zurückgewiesen – trotz vollständiger Dokumentation. 

Ein wissenschaftlicher Fingerabdruck für jedes Modul? 

Die nächste Generation der Herkunftskontrolle kommt aus dem Labor. Künftig sollen sogenannte forensische „Fingerabdrücke“ den Ursprung von Materialien direkt am Produkt selbst nachweisen. Die Idee ist bestechend einfach: Jedes Material – etwa Quarz, metallurgisches Silizium oder Polysilizium – besitzt eine einzigartige isotopische und chemische Signatur, abhängig von seiner geografischen Herkunft. 

Was bei Baumwolle, Kaffee oder Kakao längst etabliert ist, könnte bald auch in der Solarbranche Standard werden. Durch Stichprobenanalysen ließe sich feststellen, ob das angegebene Herkunftsland mit dem tatsächlichen Produktionsort übereinstimmt. 

Das hätte weitreichende Konsequenzen: 

  • Gefälschte Lieferketten würden aufgedeckt. 
  • Nicht-konforme Materialien ließen sich schwerer einschleusen. 
  • Der Aufwand für Audits und Zertifikate könnte sinken. 

Und: Die Solarbranche müsste sich der Realität ihrer Lieferketten stellen – mit all ihren Schwächen. 

Was Installateure jetzt wissen müssen 

Für viele Installateure und Fachbetriebe stellt sich die Frage: Betrifft mich das überhaupt? Die Antwort lautet: Ja. Denn wenn die neue wissenschaftliche Rückverfolgung zum Standard wird – und vieles spricht dafür – wird es nicht mehr ausreichen, auf Herstellerzertifikate zu vertrauen. 

Zulieferer, EPCs und Installateure müssen sich darauf einstellen, dass Kunden, Investoren und Behörden bald harte Nachweise verlangen – nicht nur zur Leistung, sondern zur Herkunft der Module. Wer vorbereitet ist, kann das künftig sogar als Qualitätsmerkmal nutzen. 

Fazit: Vom Papier zum Beweisstück 

Die Nachverfolgung von Materialien steht vor einem Paradigmenwechsel: von der Behauptung zur Beweislage, vom Dokument zur Materialanalyse. Was auf den ersten Blick nach Laborromantik klingt, könnte der Solarbranche bald helfen, sich selbst und ihre Lieferketten glaubwürdig abzusichern – mit weniger Aufwand, mehr Transparenz und echtem Vertrauen. 

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