Neue EnWG-Novelle bringt Licht – und neue Fragen

October 13, 2025
Dirk Voges

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Mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) 2025 wagt die Bundesregierung einen neuen Anlauf, Ordnung in das Dickicht privater Energieinfrastrukturen zu bringen. Der Regierungsentwurf vom 6. August 2025 sieht eine überarbeitete Definition der sogenannten Kundenanlage vor – ein Thema, das seit Jahren für juristische Diskussionen sorgt. Ziel ist es, die Abgrenzung zwischen privaten Energieverteilnetzen und regulierten Stromnetzen zu schärfen und damit mehr Transparenz und Wettbewerbsneutralität im Markt zu schaffen.

Nach § 3 Nr. 65 EnWG-E soll künftig als Kundenanlage gelten: eine Energieanlage zur Abgabe von Energie, die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befindet oder über eine Direktleitung von maximal fünf Kilometern Länge mit einer EEG-Anlage verbunden ist. Sie darf für den Wettbewerb unerheblich sein und muss jedermann diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Durchleitung offenstehen. Damit präzisiert der Gesetzgeber bisher unklare Kriterien und passt den Rahmen an europäische Vorgaben an.

Neu: Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung

Eine wesentliche Neuerung ist die Einführung der Kundenanlage zur betrieblichen Eigenversorgung (§ 3 Nr. 66 EnWG-E). Diese richtet sich an Unternehmen, die ihre Energie im Wesentlichen selbst nutzen – etwa in einem Werksgelände oder Konzernverbund. Auch hier gilt das Prinzip der unentgeltlichen Durchleitung, jedoch steht die Eigenversorgung im Mittelpunkt, nicht die Belieferung Dritter.

Zugleich stellt der Entwurf klar, dass der Betrieb einer solchen Anlage kein Energieversorgungsunternehmen im Rechtssinn begründet. Damit bleiben Betreiber weiterhin außerhalb der Regulierungspflichten. Neu ist jedoch, dass der allgemeine Netzzugangsanspruch (§ 20 EnWG-E) künftig ausdrücklich auch innerhalb von Kundenanlagen gelten soll. Die Bundesnetzagentur erhält dafür neue Kompetenzen – etwa zur Standardisierung von Mess- und Kommunikationsstrukturen.

EuGH und BGH: Zweifel an der Europarechtskonformität

Brisant ist, dass die Bundesregierung zentrale Vorgaben der europäischen Rechtsprechung bislang nicht umgesetzt hat. Sowohl der EuGH (Urteil vom 28. November 2024) als auch der BGH (Beschluss vom 13. Mai 2025, Az. EnVR 83/20) hatten die bisherigen deutschen Regelungen zur Kundenanlage als unionsrechtswidrig bewertet. Auch die neue Fassung enthält – so Kritiker – weiterhin unzulässige Ausnahmen von den Pflichten eines Verteilnetzbetreibers. Die Reform droht daher, erneut europarechtlich zu scheitern.

Bundesrat mahnt Nachbesserungen an

In seiner Stellungnahme vom 26. September 2025 teilt der Bundesrat diese Bedenken. Er fordert eine präzisere Abgrenzung zwischen Kundenanlagen und Verteilernetzen sowie eine klare gesetzliche Anpassung an die europäische Strombinnenmarktrichtlinie. Nur so lasse sich Rechtssicherheit für Betreiber und Letztverbraucher schaffen.

Zugleich hebt der Bundesrat die Chancen hervor: Eine praxisgerechte Neudefinition könne innovative Modelle wie Mieterstrom, Quartiersversorgung oder Energiegemeinschaften erheblich stärken. Unklare Begriffe und überzogene Pflichten dagegen gefährdeten den Ausbau erneuerbarer Energien und damit den Fortschritt der Energiewende.

Drei zentrale Forderungen des Bundesrats

Der Bundesrat formuliert daher konkrete Erwartungen:

  1. Präzisere Begriffsbestimmungen und Zugangsrechte für Betreiber und Nutzer von Kundenanlagen.
  2. Gerichtsfeste Kriterien, wann ein Zusammenschluss als Kundenanlage gilt und wann nicht.
  3. Klare Vorgaben für Netzbetreiber, insbesondere zu Messung, Abrechnung und Sicherheit.

Energy Sharing als neues Element der Energiewende

Mit § 42c EnWG-E will die Bundesregierung zudem eine rechtliche Grundlage für das sogenannte Energy Sharing schaffen – also die gemeinschaftliche Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien. Der Bundesrat begrüßt das grundsätzlich, sieht aber auch hier erheblichen Nachbesserungsbedarf. Vor allem die vage Formulierung, wonach Teilnehmer ‘überwiegend gewerblich oder selbstständig beruflich’ tätig sein müssen, schaffe neue Unsicherheiten.

Eine klarere Definition sei notwendig, um Projekte von Energiegemeinschaften, Kommunen und Unternehmen nicht durch Rechtsrisiken auszubremsen.

Fazit

Die EnWG-Novelle 2025 ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Klarheit im deutschen Energierecht. Doch zwischen nationalem Ehrgeiz und europäischem Rahmen droht erneut ein juristisches Spannungsfeld. Ob die neue Definition der Kundenanlage den Praxistest besteht, wird sich zeigen – spätestens, wenn Brüssel und Karlsruhe wieder mitreden.

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