Was ist die EU-Entgelttransparenzrichtlinie und was bedeutet sie für deutsche Unternehmen?
Frauen verdienen in Deutschland durchschnittlich 16% weniger als Männer. Dieser sogenannte Gender Pay Gap ist seit Jahren ein Dauerthema in der Politik und Gesellschaft. Mit der bereits am 06.06.2023 verabschiedeten Entgelttransparenzrichtlinie (ETRL) will die Europäische Union (EU) Lohndiskriminierung abbauen und gerechte Vergütungsstrukturen schaffen. Die Umsetzungsfrist – 07.06.2026 –, in der Deutschland die EU-Vorgaben in nationales Recht umsetzen muss, rückt nun näher.
Aktuelle Rechtslage in der EU und Deutschland: Wo stehen wir aktuell?
„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist kein neues Prinzip, sondern seit Jahren Teil des europäischen und deutschen Rechts. Auf EU-Ebene verpflichtetArtikel 157 AEUV alle Mitgliedstaaten, Lohndiskriminierung zu verhindern.In Deutschland garantiertArtikel 3 Grundgesetz die Gleichberechtigung. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierung, und das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG, 2017) regelt erste Auskunfts- und Berichtspflichten. Allerdings gilt das EntgTranspG nur eingeschränkt:
- Auskunftsansprüche bestehen es erst ab 200 Beschäftigten
- Berichtspflichten greifen erst ab 500 Beschäftigten
- Bisher keine Sanktionen
Die ETRL will hier ansetzen: Sie soll das bestehende Prinzip der Entgeltgleichheit stärken, indem sie Pflichten erweitert, Regeln verbindlicher macht und die Durchsetzung stärkt.
Die wichtigsten Neuerungen durch die EU-Richtlinie
- Beweislastumkehr: Nicht mehr Beschäftigte müssen Diskriminierung nachweisen, sondern Arbeitgeber müssen belegen, dass gleiche Bezahlung gewährleistet ist.
- Transparenz schon im Bewerbungsprozess: Unternehmen müssen Einstiegsgehälter oder Gehaltsspannen bereits in Stellenausschreibungen offenlegen.
- Stärkere Auskunftsrechte: Beschäftigte können künftig Auskunft über ihre individuelle Entgelthöhe erfragen und Durchschnittsgehälter nach Geschlecht für die gleiche oder gleichwertige Arbeit einsehen.
- Berichtspflichten nach Unternehmensgröße:
- ab 250 Mitarbeitenden: Jährlich, erstmals zum 07.06.2027
- 150–249 Mitarbeitende: Alle 3 Jahre, ab 07.06.2027
- 100–149 Mitarbeitende: Alle 3 Jahre, ab 07.06.2031
- Gemeinsame Entgeltbewertung: Zeigt sich ein Lohngefälle von mindestens 5 %, das nicht objektiv gerechtfertigt ist, müssen Arbeitgeber mit Arbeitnehmervertretungen eine Entgeltanalyse durchführen.
- Entschädigungsansprüche: Beschäftigte, die von Lohndiskriminierung betroffen sind, erhalten Anspruch auf vollständige Nachzahlung – einschließlich Boni, Sachleistungen, entgangener Chancen und immaterieller Schäden.
- Sammelklagen: Arbeitnehmervertretungen und Gleichbehandlungsstellen können Sammelklagen führen.
- Sanktionen: Die Mitgliedstaaten müssen bei der Umsetzung der Richtlinie Bußgelder einführen – in Deutschland ist dies dann ab 2026 zu erwarten.
Stand der Umsetzung in Deutschland
Die Bundesregierung will die Richtlinie über eine Reform des EntgTranspG umsetzen. Dafür wurde im Juli 2025 eine Kommission zur „bürokratiearmen Umsetzung“ eingesetzt. Erste Vorschläge sollen Ende 2025 vorliegen, ein Gesetzesentwurf wird Anfang 2026 erwartet.[1]
Was Unternehmen jetzt tun sollten
Auch wer – zurecht – die wachsende Bürokratisierung beklagt, sollte trotzdem schon jetzt aktiv werden:
- Entgeltstrukturen prüfen: Wo gibt es mögliche Ungleichbehandlungen?
- Dokumentation verbessern: Gehaltsentscheidungen nachvollziehbar machen
- Stellenausschreibungen anpassen: Gehaltsangaben frühzeitig integrieren
- Compliance-Systeme etablieren: Regelmäßige Entgeltprüfungen einführen
- Führungskräfte schulen: Bewusstsein für faire Gehalts- und Beförderungsentscheidungen schaffen
Risiken bei Untätigkeit
Unternehmen, die nicht handeln, riskieren ab 2026 Bußgelder, Reputationsschäden, Rechtsunsicherheiten und Wettbewerbsnachteile bei der Gewinnung neuer Talente.
Fazit: Chance statt Last!
Die ETRL zwingt Unternehmen zu mehr Transparenz – sie ist aber auch eine Chance für moderne Arbeitgeberpolitik. Faire Vergütung stärkt Arbeitgeberattraktivität, Mitarbeiterbindung und Wettbewerbsfähigkeit. Wer jetzt handelt, minimiert Risiken und setzt ein klares Signal für Gleichstellung.
[1]Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, „Kommission zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie startet“, https://www.bmbfsfj.bund.de/bmbfsfj/aktuelles/alle-meldungen/kommission-zur-umsetzung-der-entgelttransparenzrichtlinie-startet-267884.
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